Projektmanagement (PM)

Projektmanagement (PM)
von Diplom-Informationswissenschaftlerin Silke Schütte und Bernhard Hobel
I. Begriff
PM umfasst die Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mittel zur Abwicklung eines  Projekts. Der Führungsaspekt dieser an die DIN 69901 angelehnten Begriffsdefinition wird von der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e.V. (GPM) im Standardwerk PM-Fachmann konkretisiert: „Führung ist die Steuerung der verschiedenen Einzelaktivitäten in einem Projekt im Hinblick auf das übergeordnete Projektziel.“ Allgemeiner definiert das Project Management Institute (PMI) im PMBOK Guide PM als Anwendung von Wissen, Fähigkeiten, Methoden und Techniken auf die Vorgänge innerhalb eines Projektes.
II. Abgrenzung zu anderen, ähnlichen Begriffen
Von PM im Sinn von Einzelprojektmanagement lassen sich abgrenzen:
Das Programmmanagement als Management eines Großprojekts. Großprojekte umfassen typischerweise mehrere Projekte und Teilprojekte mit einer gemeinsamen Zielsetzung, mehrjähriger Laufzeit und großem Budget.
Das Multiprojektmanagement sorgt für die effektive Auswahl von Projekten und die Steuerung der Projektlandschaft im Unternehmen oder einer Einheit und die Fokussierung des Ressourceneinsatzes auf die wichtigsten Projekte.
Ein Projektmanagementsystem im Sinn der DIN 6004 ist ein im Unternehmen gelebtes Führungs- und Vorgehensmodell zur erfolgreichen Realisierung von Projekten.
Projektmanagement-Methodik beschreibt die logische Abfolge der PM-Aufgaben im PM-Prozess. Standards geben der PM-Fachmann und der PMBOK Guide vor. Die unternehmensspezifisch angepasste Methodik wird im PM-Handbuch dokumentiert.
Management by Projects bezeichnet das Führungskonzept für als Projekt abgewickelte Vorhaben.
III. Ziele
Mithilfe von PM soll die Projektabwicklung zur termingerechten Erreichung des Projektziels bei optimalem Einsatz von Personal- und Kapitalressourcen effizient gestaltet werden. Während hier im Vordergrund steht, Projekte richtig durchzuführen, zielt das Multiprojektmanagement im Gegensatz dazu auf die Auswahl der richtigen Projekte ab, mithin also auf den effektiven Einsatz der Ressourcen.
IV. Entwicklung der PM-Methodik
Grund für die Nutzung einer neuen Organisationsform und Methode zur Abwicklung komplexer, innovativer und in der Regel auch risikobehafteter Vorhaben war die Notwendigkeit, Spezialisten über die Grenzen der bestehenden Linienorganisationen hinaus einzusetzen und zu koordinieren. Solche Vorhaben waren zunächst die umfangreichen militärischen Projekte der USA im Verlauf des Zweiten Weltkriegs, später in den 50er und 60er Jahren Projekte in der US-Luft- und Raumfahrtindustrie. Der Begriff PM wurde geprägt, zentrales Instrument wurde der  Netzplan. In den 80er und 90er Jahren gelang es der Softwareindustrie, Werkzeuge zur Planung und Steuerung von komplexen Projekten zu etablieren, die mittlerweile in vielen Branchen Anwendung finden.
Die Bedeutung von PM hat ständig zugenommen. Investitionsvorhaben werden vorzugsweise in Projektform abgewickelt: Unter dem Druck Lösungen schnell, maßgeschneidert und mit minimalem Ressourceneinsatz zu entwickeln, müssen Kompetenzträger, Abteilungen oder Unternehmensnetzwerke oft global kooperieren. Das PM leistet hierbei nicht nur Planung und Steuerung, sondern es umfasst auch Risiko- oder Qualitätsmanagement, Kommunikation, Teambildung und fachliche Führung.
V. Das Projektmanagement-Prozessmodell
In den Prozessschritten Projektdefinition, -durchführung und -abschluss werden jeweils Aufgaben wahrgenommen und PM-Ergebnisse erzielt.
- Vgl. Abbildung „Projektmanagement – Prozessmodell“.
1. Projektdefinition
Im Rahmen der Auftragsklärung dient die Ausgangsanalyse der Untersuchung des Projektgegenstands und des Projektumfelds (v.a. durch eine Analyse der Stakeholder).
Das Projektziel wird eindeutig und vollständig, messbar, realisierbar und terminiert definiert. Die wichtigsten Anforderungen an das Projektergebnis, die späteren Abnahmekriterien und die Abgrenzung des Projekts werden beschrieben.
Risiken, die das Projektziel gefährden können, die aber eventuell bewusst eingegangen werden, werden identifiziert. In der Risikoanalyse wird das potenzielle Risiko mit Schadensmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit eingeschätzt. Präventivmaßnahmen zur Vermeidung und Gegenmaßnahmen für den Fall des Eintritts werden erarbeitet. Gegensteuerungsmaßnahmen und Risikozuschläge gehen in den Projektplan ein.
Das Projekt wird im Rahmen der Grobplanung in einem Projektstrukturplan nach objekt-, funktional- und/oder zeitlichen Kriterien heruntergebrochen. Je nach Projektumfang werden Teilprojekte definiert. Phasen mit Arbeitspaketen sowie Meilensteinen werden festgelegt. Eine erste Aufwand- und Ressourcenschätzung wird vorgenommen. Hilfestellung bei der Strukturierung leisten Vorgehensmodelle mit den für die Projektart typischen Phasen und Arbeitspaketen.
Aus den im Strukturplan benannten Arbeitspaketen werden die erforderlichen Qualifikationen abgeleitet, diesen dann Rollen und möglichst bereits Personen zugeordnet. Es folgt eine Beschreibung der Projektorganisation. Wichtig für eine erfolgreiche Einführung der Projektorganisation ist die klare Festlegung der Rollen und Gremien mit deren Entscheidungs-Kompetenzen und Verantwortlichkeiten und der Berichtswege. Zur Projektorganisation gehören zumindest Auftraggeber (Kunde), Projektleiter (Projektmanager) und Projektteam. Der Projektleiter hat gegenüber dem Projektteam projektbezogene und in der Regel fachliche Weisungsbefugnis (Matrix-Projektorganisation).
Die Feinplanung setzt auf dem zeitlich orientierten Projektstrukturplan auf und benennt zunächst für die erste(n) Projektphase(n) – die notwendigen Aktivitäten (oder Vorgänge) mit ihren Abhängigkeiten. Personalaufwand und Kosten werden geschätzt und Ressourcen unter Berücksichtigung ihrer Verfügbarkeiten zugeordnet. Die Verfügbarkeiten sind im Mitarbeitereinsatzplan auf Basis der Terminkalender aller Projektteammitglieder festgehalten. Auf dieser Basis entsteht ein verbindlicher Durchführungsplan (Balken- oder Netzplan) mit konkreten Terminen (Dauer).
Die Kostenplanung wird detailliert. Durch Bestimmung der zahlungswirksamen Kosten lässt sich eine projektbezogene Finanzmittel-Bedarfsplanung ableiten und ggf. eine Projektfinanzierung einleiten. Die sich anschließende Wirtschaftlichkeitsrechnung stellt den quantifizierbaren Nutzen den gesamten Kosten (inkl. Personalkosten) gegenüber und liefert einen wesentlichen Entscheidungsparameter für die Durchführung des Projektes.
Die Vereinbarungen über Lieferungen und Leistungen der Vertragspartner (v.a. Auftraggeber und Projektleiter als Auftragnehmer) werden im Rahmen des internen und externen Vertragsmanagements schriftlich als Projektvertrag dokumentiert.
Zum Abschluss erfolgt eine Projektstartbesprechung (Kickoff-Veranstaltung), in der alle Projektbeteiligten umfassend informiert werden. Projektziel, Risiken, Planung werden besprochen und Projektspielregeln entwickelt. Ziel ist die Handlungsfähigkeit aller Beteiligten ab diesem Zeitpunkt für die gesamte Laufzeit.
2. Projektdurchführung
Die Projektplanung wird nach und nach verfeinert, Arbeitsaufträge werden erteilt und abgearbeitet. Das Projektcontrolling umfasst Planungs- und Kontrollaufgaben: Soll-Ist-Vergleiche (auf der Basis der Netzpläne und Rückmeldungen der Mitarbeiter) begleiten den Projektfortschritt; Abweichungen werden kritisch beobachtet (Trendanalysen), deren Auswirkungen prognostiziert und Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet. Probleme erfordern Entscheidungen z.B. bezüglich der Änderung von Planvorgaben durch einen Lenkungsausschuss. Da der Projektfortschritt i.Allg. keine direkte Aussage über den Grad der Fertigstellung erlaubt, ist in bestimmten Abständen eine Restaufwandschätzung vorzunehmen. Alternativ erlauben zeitlich dicht aufeinander folgende Meilensteine mit konkreten Teilergebnissen eine Einschätzung des Projektstandes.
Im Rahmen des  Risikomanagement werden Risiken immer wieder neu eingeschätzt, Gegensteuerungsmaßnahmen werden eingeleitet und überwacht. Wesentliche Risiken werden an das zentrale Risikomanagementsystem des Unternehmens (KonTraG) gemeldet. Kostenpläne und Offene-Punkte-Listen werden aktuell gehalten.
In einer Projektakte (Handbuch) erfolgt fortlaufend die Dokumentation der PM-Ergebnisse. Überzeugende und vertrauensvolle Information und Kommunikation innerhalb des Teams und seines Umfeldes sollte im Berichtswesen (z.B. Statusberichte oder Newsletter) und in der Besprechungskultur ihren Niederschlag finden. Motivation, gegenseitige Wertschätzung, der respektvolle Umgang mit Konflikten und eine Klarheit in den Aufgabenstellungen sind weitere Indikatoren für eine erfolgreiche Information und Kommunikation. Den von den Veränderungen durch das Projekt Betroffenen sollte Verständnis entgegengebracht werden, um Verunsicherungen entgegenzuwirken.
Projekte geraten nicht selten langsam und unbemerkt in eine Schieflage. Ein gutes Multiprojektcontrolling, übergreifendes Risikomanagement, Audits und ein etabliertes Frühwarnsystem können frühzeitig Fehlentwicklungen und Handlungsoptionen aufzeigen. Folge kann ein  Krisenmanagement sein, das zur Projektsanierung oder Neuausrichtung führt. Die Option eines vorzeitigen Projektabbruchs wird gerade bei lange laufenden Großprojekten und euphorischen Teams tabuisiert und viel zu spät bedacht und entschieden.
3. Projektabschluss
Der Projektleiter stellt sicher, dass Projektziel und Ergebnis vollständig und in der vereinbarten Qualität (gemäß den Abnahmekriterien) vorliegen. Der Auftraggeber nimmt das Ergebnis formal ab und entlastet Projektleiter und Teammitglieder. In einer Projektabschlussbesprechung (Touchdown) reflektiert das Team den Projektverlauf, diskutiert und dokumentiert Erfahrungen, Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge (Erfahrungslernen). Im Rahmen einer Nachkalkulation wird die Planung den tatsächlichen Aufwänden, Terminen und Kosten gegenübergestellt. Die erreichten Nutzendimensionen können und sollten im späteren Verlauf zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsrechnung ermittelt werden (Nutzeninkasso). Die Projektorganisation wird aufgelöst.
- Vgl. Abbildung „Projektmanagement – Kritische Erfolgsfaktoren“.
VI. Ausblick
Nach Einschätzung vieler Autoren und in ähnlicher Weise reflektiert von der GPM zeichnen sich folgende Trends ab:
– Projekte gelten heute als wesentlicher Motor für die Gestaltung von Veränderungsprozessen in Unternehmen. Projekte werden sich also noch stärker an Unternehmenszielen und -strategien ausrichten. Folglich wird der Projekterfolg zunehmend am Beitrag zu den Unternehmenszielen gemessen werden. Das gilt nicht allein für das einzelne Projekt, sondern auch für die in vielen Fällen stark vernetzte Projektlandschaft. Hier gewinnt das Multiprojektmanagement an Bedeutung.
– Die Erfahrungen aus gescheiterten Projekten oder solchen mit erheblichem Zeitverzug und immenser Budgetüberschreitung messen einem systematischen Risikomanagement einen hohen Stellenwert zu.
– Einhergehend mit der Globalisierung stellen sich neue Herausforderungen an die Führung von Projekten im internationalen und interkulturellen Kontext. Dazu gehört die Führung virtueller - über Standorte international verteilter - Projektteams. Die soziale Kompetenz aller Projektbeteiligten wird zum wichtigen Qualifikationsmerkmal.
– Ein weiterer Trend liegt in der systematischen und kontinuierlichen Verbesserung des Projektmanagement durch strukturiertes Lernen aus Projekten und dem Einsatz optimierter Standards und Werkzeuge (z.B. für Projektsimulationen).
Literatur: Burghardt, W., Projektmanagement, 5. Aufl., Köln 2000; DeMarco, T., Der Termin, München, Wien 1998; Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V (GPM) (Hrsg.), Projektmanagement-Fachmann Band I und II, 4. Aufl., Eschborn 1998; DIN, DIN 69901 – Projektmanagement, Berlin 1980; Kerzner, H., Project Management, 8. Aufl., New York u.a. 2003; Litke, H.-D., Projektmanagement, 3. Aufl., München, Wien 1995; Lomnitz, G., Multiprojektmanagement, Landsberg a.L. 2001; Schelle, H., Projekte zum Erfolg führen, München, Wien 1996; Project Management Institute (PMI), A Guide to the Project Management Body of Knowledge (PMBOK ® Guide – 2000 Edition).

Lexikon der Economics. 2013.

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